Eigentlich wollte ich nicht erneut davon anfangen, aber als bekennender SternTV-Zuschauer kam ich nicht umhin, dieser Tage meinen ganz speziellen „Freund“, Herrn Sarrazin, dort zu sehen.
Bis dahin kannte ich von ihm allenfalls Ausschnitte aus Tagespresse und Nachrichtensendungen, in denen er sich auf’s Abgebildet-werden und gelegentliche schriftliche Äußerungen beschränkte. Nachdem ich ihn nun sowohl in der Reportagesequenz, in Vortragsausschnitten und live im TV gesehen habe, stellen sich mir ein paar Fragen:
Es mag sein, dass sein vielbesprochenes Buch einen Nerv unserer Zeit trifft. Wie gut oder schlecht es das tut, vermag ich mangels Einsichtnahme nicht zu beurteilen, ich frage mich aber dennoch, wie es sein kann, dass ein von ausgewiesenen Fachleuten derart verrissenes Buch in der Auflage von 25.000 (was für ein gelegentliches gnädiges Nischendasein in Bibliotheken reichen dürfte) auf über eine Million anzieht?
Es mag sein, dass einige Menschen – auch und gerade ohne besagtes Buch gelesen zu haben – von den vordergründig durch die Presse gegangenen Ansichten des werten Herrn angezogen sind – oder gar glauben, diese zu teilen. Wie kann man aber in einer aufgeklärten Zeit wie der unseren so eine Einstellung vertreten oder gar unterstützen? Es wird überdeutlich, dass mein fast-schon-Lieblingsthema ein Problem mit bestimmten – durchweg ein- und derselben Weltreligion zugewandten – Zuwanderergruppen hat. Was gibt ihm aber das Recht, egalwelche Gruppe pauschal, schlimmerweise unter regelmäßiger Betonung des religiösen Zusammenhangs, über einen Kamm zu scheren?
Schlimmer noch: Es mag sein, dass einige seiner Leser seiner Argumentation (so er eine hat) folgen können. Wie aber können sie das noch, nachdem sie den guten Mann live oder auch nur im TV-Gespräch erlebt haben? Die Geschichtsbücher sind zwar leider voll von Menschen, die mindestens ähnlich wirres Zeug von sich gegeben haben und deswegen besser niemals ein Publikum gefunden hätten. Das scheint aber die Frustrierteren unter uns nicht davon abzuhalten, auf genauso zusammenhangloses und wiederholungsschwangeres Geschwätz erneut hereinzufallen. Bitter.
Interessant finde ich, dass in den gezeigten Interviews Angehörige der „Tiradenzielgruppe“ teilweise sogar Verständnis für manche Thesen des Herrn Sarrazin äußern. Die Selbstkritik ist also eindeutig vorhanden, doch da genau ist ja die Diskrepanz. Wahre Größe zeigt sich nicht darin, nach schönstem Bibelwort jeden Splitter im Auge des Nächsten erkennen zu wollen, darüber jedoch den Balken im eigenen Auge großzügig zu ignorieren. Man möchte Hörner kriegen, dass solchen Leuten auch noch regelmäßig eine Bühne gegeben wird.
Hatte ich im Sinne der eigenen Meinungsbildung zunächst noch einen Blick in jenes rot eingebundene Machwerk über die Selbstabschaffung unseres Landes erwogen, so hat der Autor zumindest bei mir erfolgreiche Kundenvergraulung betrieben. Danke für das gesparte Geld – die Umweltenlastung durch Nichtdruck dieses Buches wäre vermutlich noch erstrebenswerter. In diesem Sinne war es vielleicht doch nicht so schlecht, dass Herr Jauch seinen Gast empfangen hat…