Geschenkt?

„…was ist damit nicht in Ordnung?“ – lautet eines meiner Lieblingszitate aus dem Film „Das Leben des Brian“. Und es karikiert eine eigentlich urdeutsche Haltung von „was nichts kostet, taugt auch nichts“. Oder: Wenn jemand für eine gebotene Leistung keine Gegenleistung verlangt, muss doch irgendwo ein Haken sein?

Ungefähr solches dachte ich, als ich heute morgen über einen Artikel stolperte, wonach Kreditnehmer aktuell mit Negativzinsen belohnt werden. Geld leihen und dafür noch Geld rausbekommen – das geht doch normalerweise in der aktuellen Niedrigzinsphase nur für öffentliche Haushalte, und auch da vorrangig auf oberster Ebene?!?

Mitnichten, so möchten ein paar namhafte Kreditportale gern vermitteln. Zumindest zwei bieten aktuell als „Lockangebot“ jeweils 1000 Euro Kreditsumme zu einem negativen Zinssatz an – bei Smava sind sogar scheinbar irrwitzige -5% drin! (Edit: Check24 hat nachgelegt und lockt aktuell ebenfalls mit -5%)

Nun ist geschenktes Geld ja bekanntlich kein Schmutz, also schaut man sich die Sache doch mal „kostenlos und unverbindlich“ an. Und siehe da, nachdem man sich durch mehrere Seiten mit Angaben zur Person und zum Einkommen geclickt hat, kommen dann unter’m Strich bereitwillig mehrere Kreditangebote heraus, von denen exakt eins für eine Summe von 1000 Euro die beworbenen -5% „effektiver Jahreszins“ ausweist. Bei den übrigen Angeboten handelt es sich mehr oder weniger um normale Verbraucherkredite mit Zinssätzen ab 2,9% aufwärts – also nichts spektakuläres, wenn man davon absieht, dass die „Wunschsumme“ von 1000 Euro teilweise ignoriert und bereitwillig mehr angeboten wird – man traut mir offensichtlich Bonität zu.

Lobend (!) sei in diesem Kontext erwähnt, dass bei den angebotenen Zusatzleistungen (a.k.a. „Restschuldversicherung“) tatsächlich vier Optionen angeboten werden, von denen standardmäßig die Option „Keine Restschuldversicherung“ (= keine Kosten) ausgewählt ist. Also keine Kostenfalle durch ein heimlich mit gesetztes Häkchen im Kleingedruckten – ob das so schon immer Standard war oder ob das erst so eingestellt wurde, nachdem sich einige Anbieter wegen der durch die Hintertür wieder eingespielten Beträge negative Presse eingefangen haben – es wird wohl ein Geheimnis bleiben. Jedenfalls ist es gut so wie es ist.

Also laden wir uns mal fröhlich das PDF mit dem Kreditantrag herunter. Es fällt auf, dass entgegen der „unkomplizierten und sofortigen“ Auszahlungsankündigung zunächst mal der Antrag zu unterschreiben ist, umfassende Gehaltsnachweise beizufügen sind und ein PostIdent-Verfahren durchlaufen werden muss. Es handelt sich also mitnichten um „leichtverdientes Geld“.

Es kommt aber noch toller, denn wir halten uns ja für lesekundig und schauen die 13 Seiten ganz detailliert an. Dabei fallen folgende spannende Punkte auf:

„1.000,00 EUR
Laufzeit dieses Kreditvertrages 36 Monate
Sollzinssatz und effektiver Jahreszinssatz Sollzins: 4,50 % / Eff. Jahreszins: -5,00 %
(Sie erhalten einen Zinsbonus von 9,02 %, der Ihnen im Wege eines (…) Ratenzuschusses gutgeschrieben wird.
Unter Berücksichtigung des (…) Ratenzuschusses beträgt Ihr Sollzins -5,12 %. Ihr effektiver Jahreszins beträgt
-5,00 %. Die Bedingungen des Ratenzuschusses entnehmen Sie bitte dem Darlehensvermittlungsvertrag.)“

Achnee – von wegen Negativzins – der Kredit kosten ganz reguläre (und sogar ziemlich saftige) 4,5% Zinsen, es wird lediglich ein „Ratenzuschuss“ des Kreditvermittlers eingerechnet, woraus sich dann der theoretische Negativzins ergibt.

Jetzt könnte man fragen: Was hat der Vermittler davon, dass er einem Neukunden Geld schenkt?

Ganz viel, wenn man weiter liest:

„Entgeltliche Darlehensvermittlung
(1) Für die erfolgreiche Vermittlung des Darlehensvertrages zwischen Ihnen und der
Bank erhält die (…) von Ihnen eine Vergütung in Höhe von
– für 36 Monate Kredit-Laufzeit: 0 %
– für 60 Monate Kredit-Laufzeit: 3,00 % (bzw. 60 € Mindestgebühr)
– für 84 Monate Kredit-Laufzeit: 3,00 % (bzw. 60 € Mindestgebühr)
des Ihnen von der Bank gewährten Ratenkredites. Diese Vermittlungsprovision wird
von der auszuzahlenden Kreditsumme einbehalten.“

Eiguggeda – der Wohltäter ist am Ende eben doch am Ende ein ganz normaler Kaufmann der sein Geld verdienen will. Was ja keine Schande ist – aber es wird eben doch mit halbverdeckten Karten gespielt (und ich unterstelle, nicht jeder, der in finanzieller Verdrückung ist, liest den Vertrag in allen Details und wundert sich dann, dass am Ende evtl. weniger ausbezahlt wird als er beantragt hatte).

Und der Trick ist ja nun der – wer einmal einen Kredit in Anspruch genommen hat, ist tendenziell Wiederholungstäter – und wer einmal einen Kreditvermittler „wohltätig wahrgenommen“ hat, ist auch geneigt, mit diesem weitere (für diesen dann einträgliche) Geschäfte zu tätigen. Denn man darf wohl annehmen, dass der Vermittler nicht nur von den Provisionen lebt, die er dem Kreditnehmer berechnet, sondern auch davon, dass die Banken für die Vermittlungstätigkeiten ein Scheibchen der ersparten Personal- und Werbungskosten abliefern.

Unter diesen Aspekten geht auch die folgende Rechnung (aus dem Kreditvertrag) auf:

„Bei dem Gesamtbetrag handelt es sich um die Summe aus dem Nettokreditbetrag und den Gesamtkosten
(Zinsen und Kosten). Damit handelt es sich um die Summe der von Ihnen zu entrichtenden Teilzahlungen. In
diesem Fall setzt sich der Gesamtbetrag damit zusammen aus:
Nettokreditbetrag: 1.000,00 EUR
+ Vermittlungsgebühr: 0,00 EUR
+ Versicherungsprämie für Restkreditversicherung: 0,00 EUR
= Nennbetrag des Kredits: 1.000,00 EUR
+ Zinsen: 70,88 EUR
– Gesamtratenzuschuss von (…): 147,82 EUR
= Gesamtbetrag: 923,06 EUR“

Der Anbieter „investiert“ also knapp 150 Euro in eine zukünftige Geschäftsbeziehung. Berücksichtigt man, dass davon nur 77 Euro beim Kreditnehmer ankommen, könnte man glatt sagen „Ok Jungs, wenn Ihr meine Daten haben wollt, gebt mir die 150 Euro direkt und wir sparen uns das Gehopse mit der Bank und dem Kredit“ – wäre ein Deal, immerhin bekäme man mal Geld für Daten, die andere ohne Gegenleistung zusammenraffen. Ist aber so nicht vorgesehen.

Nicht vergessen wollen wir auch die kleinen aber feinen „versteckten Drohungen“ im Kreditvertrag, über dessen Tragweite sich viele Kunden bestimmt nicht klar sind:

„Verkauf und Abtretung an Inkassounternehmen
Wenn Ihr Kreditkonto für die Dauer von 40 Tagen ununterbrochen einen Zahlungsrückstand
aufweist, dass heißt, Sie sich 40 Tage ununterbrochen mit einer oder mehreren
fälligen Zahlung aus diesem Ratenkreditvertrag ganz oder teilweise in Verzug
befinden, sind der Anleger bzw. die Anleger auf Wunsch der (…) verpflichtet,
ihre gegen Sie bestehenden Kreditforderung(en) an ein von der (…) zu
benennendes Inkassounternehmen zu verkaufen und abzutreten, welches in diesem
Fall Ihr neuer Gläubiger wird.“

Ja Klasse – genau das Schreckgespenst eines jeden Kreditnehmers, nämlich dass seine Schulden an jemanden veräußert werden, der dann lustige Dinge mit dieser Forderung anstellen kann, wird hier offen angekündigt. Und der Kreditvermittler hat die Wahl, an wen die Schulden verkauft werden. Dass hier das Stichwort „Inkasso“ gleichbedeutend mit einer Vervielfachung der Restschuld sein dürfte, ist bestimmt mehr als nur eine Unterstellung.

Besonders komisch „riecht“ dabei, dass die Veräußerung an ein Inkassounternehmen nicht Entscheidung des Kreditgebers sondern – man staune – des Kreditvermittlers sein soll – einschließlich der Wahl, an welches Inkassounternehmen die Abtretung erfolgen soll. Ein Schelm, der auch hier noch Folgegeschäft für den Vermittler wittert?!?

Wir lernen also – es gibt auch weiterhin nichts geschenkt. Wer mit den o.g. Einschränkungen und dem damit verbundenen Aufwand leben kann, kann sich tatsächlich auf dem aktuellen Markt einen kleinen Euro nebenbei „verdienen“ (immer vorausgesetzt, der beantragte Kredit wird nicht gleich für unnütze Ausgaben verpulvert sondern z.B. zur Schuldentilgung oder einfach als Finanzpuffer eingesetzt). Der „Lohn“ von 77 Euro über drei Jahre ist zwar recht mager, andererseits gibt’s auf Sparbücher gerade üppige 0,1% Zinsen, da muss man als Sparer sehen, wo man bleibt.

Edit: Nach Freischaltung dieses Beitrags fand ich gerade noch diesen Artikel auf Spiegel Online, der die Angelegenheit auch etwas kritischer beleuchtet, wenngleich unter Berufung auf Verbraucherschützer.

Noch’n Edit (aus dem n-tv Artikel): „‚Noch nie zuvor haben Kreditnehmer so stark von der Niedrigzinsphase und dem Wettbewerb profitiert‘, sagt Alexander Artopé, Geschäftsführer von smava.“ – Schwachfug! Der Kreditnehmer „profitiert“ allenfalls vom Wettbewerb der Kreditvermittler – die Bank verdient ganz regulär an dem Kredit. Zumindest wenn das, was im Vertrag steht, der Wahrheit entspricht – und das wollen wir doch stark hoffen!

Ich rate von o.g. Angeboten weder ausdrücklich zu noch ab – es ist die persönliche Entscheidung des Einzelnen, die aber nach Abwägung aller Details erfolgen sollte. Wer sich finanziell verzettelt, sollte immer daran denken: Herr Zwegat kann nicht alle retten 😉

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