Da hat doch meine liebe Kollegin voll meinen Nerv getroffen mit ihrer Blog-Aktion „Unwort des Jahres“:
Sie wählte „Migrationshintergrund“, und das nicht von ungefähr, wo doch der erstaunlicherweise immer noch diesbezüglich auf Kreuzz.. – ähm – „Informationsveranstaltungen“ aktive Herr Sarrazin damit scheinbar dem sich selbst abschaffenden Volk/Land aus der vermeintlichen Seele gesprochen hat. Komisch nur, dass es mir schwerer und schwerer fällt, Menschen zu finden, die an seiner Argumentation irgendetwas sachliches entdecken können. Sollte ihm eines gelungen sein, dann sicher den Kunstbegriff „Migrationshintergrund“ final mit einem negativen Beigeschmack zu belegen.
Ich hätte mich auch spontan hinreißen lassen, besagtes Unwort zu unterstützen, wären da nicht noch ein paar andere Begriffe, die ich für vergleichbar qualifiziert halte. Schöne Kandidaten, die allerdings beinahe schon zeitlos oder aber jahresübergreifend sind, wären „Bankenrettung“, „Staatsbankrott“, besonders schön und geradezu eine Tautologie ist „Bad Bank“ und so richtig die Gemüter zum kochen bringen dürfte „Laufzeitverlängerung“. Eines aber ist ein wunderbares Wort, das unsere lieben Politiker nur allzugern in den Mund nehmen wenn sie die Argumente der Gegner gleich in Bausch und Bogen abbügeln wollen. Fast könnte man unserer ersten und wenn das so weitergeht einzigen Kanzlerin die Erfindung dieses Begriffs zuschreiben, denn er ist zu ihrem Lieblings-Totschlagargument geworden: Egal was für unpopuläre Entscheidungen anstehen, sie sind scheinbar grundsätzlich „alternativlos“. Bingo. (Oder wie ihr Vorgänger zu sagen pflegte: Basta!)
Meine Entscheidung wurde spontan von einer kleinen Google-Recherche untermauert: 107.000 Treffer sind keine schlechte Quote für ein werdendes Unwort des Jahres. Es sind natürlich auch schon weniger häufig im Netz anzutreffende Begriffe zu Unwörtern gekürt worden – und das auch zu recht – aber die allgemeine Tendenz, dieses Wort extrem negativ aufzunehmen, ist schon beeindruckend. Fast möchte man Frau Merkel raten, sich diese Alternativlosigkeit wieder abzugewöhnen, denn erstens stellt sie eine ziemliche Sackgasse, wenn nicht gar ein selbstgebasteltes Armutszeugnis dar (ungefähr wie in: „XYZ ist alternativlos weil mir nichts mehr einfällt!“), und zweitens macht die Anwendung des Ausdrucks die damit kommunizierte Entscheidung schlagartig unbeliebt. Marketing Lektion Nr. 1: Wenn ich was verkaufen will, darf ich nicht versuchen, alle Alternativen schlecht zu reden, sondern muss herausstellen, was an meinem Produkt besonders toll ist. Ich mag ja nicht auf Frau Merkels persönlicher Vergangenheit rumreiten, aber die „Alternativlosigkeit“ hätte sie sich doch eigentlich zusammen mit 16 Millionen unserer Landsleute in den letzten 21 Jahren ausreichend abgewöhnt haben sollen. Aber vermutlich war auch das, was damals geschah, schon in sich alternativlos. Das wäre dann, von gewissen der Vergangenheit nachhängenden Betonköpfen mal abgesehen, ausnahmsweise ein positives Beispiel: Aus reiner Alternativlosigkeit schafft ein Volk seine Alternativlosigkeit ab. So gesehen fast eine sarrazinische Überschrift.
Aber natürlich halte ich meine Wahl nicht für alternativlos, deswegen lade auch ich alle Leser dieses Artikels ein, in ihrem Blog ihr Unwort des Jahres zu küren und auf andere gleichartige Beiträge zu verlinken. Meine Überzeugung, dass dabei noch viel Interessantes zu lesen sein wird, ist jedenfalls alternativlos 😉
Ich kann dazu nur sagen, da muß ich direkt einen alternativlosen Kommentar zu hinterlassen. Wenn ich Deinen Beitrag so lese, weiß ich wieder, warum ich schon immer so gerne ZweiStein besucht habe, denn es liest sich ungemein gut bei Dir und auch der Beitrag zum Unwort des Jahres ist Dir wie immer absolut gelungen und ich danke direkt mal für Deine Teilnahme 🙂
Danke für die Blumen – aber Du bist ja auch an meinem Beitritt zur Blogosphäre nicht unschuldig 😉
Nun ja, wenn man dadurch gute Beiträge zu lesen bekommt, dann bin ich doch gerne schuldig 😉